Dezember 3, 2024

Kanadische Eisenbahner sind wütend und streikbereit

Kurz vor einem landesweiten Streik im Güterverkehr letzte Woche hat die Regierung den Konzernen den Arsch gerettet und die Gewerkschaft in eine Schlichtung gezwungen und damit Streiks verboten.

Seit Monaten gibt es in Kanada Verhandlungen zwischen der Bahngewerkschaft Teamsters Canada Rail Conference (TCRC) und der Canadian National Railway (CN) und Canadian Pacific Kansas City Limited (CPKC), die zusammen ca. 100.000 Bahner:innen beschäftigen. Es geht um Arbeitszeiten und Schichtregelungen.

Bereits im Mai und erneut im Juni stimmten 99% der Beschäftigten für Streik.

Von Seiten der Gewerkschaft hieß es zur Begründung der Streiks: „CN und CPKC versuchen, Änderungen an unseren Tarifverträgen zu erzwingen, die die Uhr bei den Arbeitsbedingungen und der Sicherheit im Schienenverkehr zurückdrehen würden“, sagte TCRC-Präsident Paul Boucher. „Die Teamsters [Gewerkschaftsmitglieder] versuchen, sie zu stoppen. Mit diesem erneuten Streikmandat wollen wir an den Verhandlungstisch zurückkehren, mit Bundesmediatoren zusammenarbeiten und alles in unserer Macht Stehende tun, um ein faires Abkommen für unsere Mitglieder zu erreichen und alle Kanadier zu schützen.“

Bei den kanadischen Bahner:innen stehen Arbeitszeiten, Schichtdienste und Übermüdung im Zentrum des Ärgers. Beide Bahnunternehmen verlangen von den Beschäftigten noch mehr Zugeständnisse in Bezug auf flexible Personaleinsatzplanung, die Arbeitszeiten und Regelungen bei Übermüdung. Diese Unternehmensforderungen untergraben die Sicherheit im kanadischen Eisenbahnverkehr. Angesichts des „Arbeitskräftemangels“ versuchen sowohl CN als auch CPKC, die Verfügbarkeit des Zugpersonals noch weiter zu erhöhen, um mehr Züge zu befördern, koste es, was es wolle, nur um ihre eigenen Ziele, nämlich immer höhere Gewinne, zu erreichen. Das Endergebnis wäre, dass das Zugpersonal gezwungen wäre, noch länger wach zu bleiben, was das Risiko von Entgleisungen und anderen Unfällen erhöhen würde – so fassten das die Gewerkschafter in einer Presseerklärung zusammen.

Das Bahnunternehmen CPKC will den Tarifvertrag von allen sicherheitskritischen Bestimmungen zur Müdigkeit befreien. Das Unternehmen CN hat der Gewerkschaft angeboten, einige der Bestimmungen zum Thema Übermüdung beizubehalten, wenn sie einer Regelung zustimmt, nach der die Beschäftigten gezwungen wären, für mehrere Monate im ganzen Land umzuziehen, um den Arbeitskräftemangel in entlegenen Gebieten des Landes zu beheben, in denen CN chronisch zu wenige Mitarbeiter hat.

Die Gewerkschafter:innen fordern, CN und CPKC sollten stattdessen versuchen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und einen humaneren Ansatz für den Bahnbetrieb zu wählen, um mehr Arbeitskräfte zu gewinnen. So sind beispielsweise die Fahrdienstleiter bei CPKC chronisch zu 25 % unterbesetzt. Trotz ihrer entscheidenden Bedeutung ist seit 2021 ein Netto-Einstellungsrückgang zu verzeichnen, der auf ein toxisches Arbeitsumfeld zurückzuführen ist – heißt es in der Gewerkschaftspressemitteilung.

Die Bahnunternehmen CN und CPKC drängen schon die ganze Zeit auf ein verbindliches Schiedsverfahren und haben schon im Frühjahr die Regierung eingeschaltet, was nach kanadischem Streikrecht zu einer Art „Zwangsverhandlungspflicht mit Friedenspflicht“ führte. Im Juli/August ging es in den Verhandlungen nicht voran und Arbeitsniederlegung war offensichtlich der einzige Ausweg, um die Forderungen zu erreichen. Als die Gewerkschaft Ende August erneut einen Streik ankündigte, ereiferten sich Vorstände und Presseleute darüber, dass der Streik quasi den Untergang der exportorientierten kanadischen Wirtschaft bedeuten würde. Ein Eisenbahnerstreik hätte wirklich weitreichende Auswirkungen auf den Handel sowohl in Kanada als auch in ganz Nordamerika gehabt. Darin hätte sich die ganze Macht der Eisenbahner:innen gezeigt. Sie sind halt „systemrelevant.“

Die Bahnunternehmen CN und CPKC, die erst noch so gejammert haben angesichts der Streikankündigung, reagierten letzte Woche plötzlich mit einem „lock out“, einer Aussperrung. Die Unternehmen stellten landesweit den Verkehr ein. Über 10.000 Bahner:innen waren ausgesperrt, die im ganzen Land mit Streikposten darauf reagiert.

„My safety is not for sale – meine Sicherheit steht nicht zum Verkauf, „What do we want? Sleep! When do we want it? Everyday! – Was wollen wir? Schlaf! Wann wollen wir das? Jeden Tag!“
„Mein Vati verdient auch ein Leben zu Hause“

Und gleich darauf folgte die Entscheidung des kanadischen Arbeitsministers, eine Zwangsschlichtung anzuordnen.

Die Bahner:innen sind sauer, denn damit wird das Recht auf Streik genommen. „Diese Entscheidungen, wenn sie nicht angefochten werden, schaffen einen gefährlichen Präzedenzfall, bei dem ein einzelner Politiker eine Gewerkschaft nach Belieben zerschlagen kann. Das Recht auf Tarifverhandlungen ist eine Verfassungsgarantie. Ohne dieses Recht verlieren die Gewerkschaften ihren Einfluss, um bessere Löhne und sicherere Arbeitsbedingungen für alle Kanadier auszuhandeln. Wir sind zuversichtlich, dass das Gesetz auf unserer Seite ist und dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Gehör finden werden“, sagte Paul Boucher, Präsident der Teamsters Canada Rail Conference.

Die Gewerkschaft hat vier separate Berufungen beim Bundesberufungsgericht eingelegt. Der Gewerkschaftschef, der in den letzten Monaten gar nicht als Scharfmacher angetreten war, sondern immer Verhandlungen bevorzugte statt Streiks, setzt jetzt alles auf den Kampf vor den Gerichten. Das kann sich ziemlich schnell als Zeitverschwendung herausstellen. In den Gerichtssälen werden die Bahner:innen jedenfalls nicht ihre Kraft ausspielen können. Die große Menge an Beschäftigten, die die Wirtschaft am Laufen hält, das ist die Kraft, die man braucht um sich gegen große Konzerne und Regierungen durchzusetzen. Die Wirtschaft und ihre Helfer in den Regierungen und der Presse haben das jedenfalls gut verstanden.

In Kanada wie hier und überall: Die Kraft der Arbeitenden, das ist der Streik! Solidarität mit den kämpferischen kanadischen Bahner:innen!

„Liberals took our right to bargain – die Liberalen haben uns unser Recht auf Verhandlung genommen“, „The liberals ran a train on the working class – Die Liberalen haben die Arbeiterklasse mit dem Zug überrollt“

alle Bilder via facebook teamsters rail und teamsters canada

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