Am Mittwoch kamen wieder mindestens 100 Leute, vor allem junge Leute, im Hauptbahnhof zusammen. Die Polizei hat alles unternommen, damit der Protest schnell endet, und niemand viel davon mitbekommt. Die Deutsche Bahn war wie immer sehr kooperationsbereit, den Protest zu beenden.
Unser Leben soll also ungestört weitergehen mit Reisen, Kaffee und Shopping? Während nur wenige tausend Kilometer entfernt der Völkermord an den Palästinenser:innen passiert? Der deutsche Staat hätten das gerne und die Deutsche Bahn, die letztendlich auch.
Mehr als 40.600 Tote wurden inzwischen in Gaza gezählt, mehr als 94.000 Verletzte. Aber viele Tausende liegen unter den Trümmern, man weiß nicht, wieviele. Viele Krankenhäuser wurden zerstört, Feldlazarette und Reste von Gesundheitszentren haben kaum Material, fast die komplette Bevölkerung von Gaza – 2,3 Millionen Menschen – wurden von der israelischen Armee inzwischen aus ihren Wohnungen vertrieben und leben in Zelten zusammengepfercht in der Hitze in einem winzigen Gebiet von vielleicht 20% des bisherigen Gebietes. Beschuss und Bombardierungen und Zerstörung praktisch aller Gebäude und landwirtschaftlichen Flächen gehen weiter. Hunger und alles mögliche an Krankheiten grassieren. 2,3 Millionen Menschen sterben langsam… Flucht ist nicht möglich, weil um Gaza herum die Grenze dicht ist. In der deutschen Presse werden die Zahlen der Toten und Verletzten ständig angezweifelt, dabei sagen alle internationalen Organisationen, dass bisher die Zahlen immer seriös war. Wenn „unabhängige“ internationale Journalisten aus Gaza berichten könnten, würden sich all die Horrornachrichten bestätigen. Aber Israel lässt keine unabhängigen Journalisten nach Gaza und die palästinensischen Journalisten vor Ort werden getötet, in einem Ausmaß, das es noch in keinem Krieg gegeben hat. Wenn ein Völkermord passiert, soll es keine Zeugen geben. Und parallel hat die israelische Armee angefangen, das Westjordanland zu attackieren, so dass man befürchten muss, dass das ein zweites Gaza wird.
Die Proteste wie jetzt wieder am Hauptbahnhof sollen verhindern, dass diese erste große ethnische Vertreibung des 21. Jahrhunderts ungestört und unbemerkt vonstatten gehen kann. Jeden Tag gibt es weltweit Proteste. Auch in Israel, wo Menschen auf die Straße gehen für einen Waffenstillstand und Verhandlungen zur Freilassung aller Geiseln. Viele werfen der israelischen Regierung vor, die Waffenstillstandsverhandlungen zu torpedieren. Die Proteste dürfen nicht aufhören. Sie müssen stören, damit sie bemerkt werden. Wir brauchen mehr Sand im Getriebe.
Warum uns dieser Krieg in Gaza und Westjordanland was angehen sollte? Weil das ein Test unserer Menschlichkeit ist. Ist es „normal“, dass Kinder massenhaft getötet und im wahrsten Sinne des Wortes geschreddert werden? In was für einer Welt wollen wir leben? Jeder von uns muss sich die Frage stellen. Die deutsche Regierung plant für uns jedenfalls eine Zukunft, in wir uns an ein massenhaftes Töten und Leiden der Bevölkerung gewöhnt haben sollen.