Vor unseren Augen spielt sich ein weiteres Drama ab: der schreckliche Anschlag der Hamas ist schockierend und die schockierenden Bilder und Hilferufe aus Gaza lassen einen zweifelnd zurück. Wie kann ein Frieden aussehen, in dem die palästinensischen, die israelischen und arabischen Bevölkerungen friedlich zusammenleben? Alles scheint schwierig. Wie so oft hat alles eine Vorgeschichte.
Der Staat Israel wurde 1948 gegen den Willen der in der Region lebenden Palästinenser:innen geschaffen und basiert auf der gewaltsamen Vertreibung Millionen Palästinenser. Seit 75 Jahren – seit der Staatsgründung Israels durch die Großmächte der Welt als ihr Werkzeug im ölreichen Nahen Osten – ist die Region Schauplatz von gewaltvoller Besetzung palästinensischer Gebiete, von Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung, Bombardierungen, Angriffen.
Ein Volk, dass ein anderes unterdrückt, kann nicht frei sein
2,1 Millionen Palästinenser leben in Gaza, einem der am dichtesten besiedelten Orte der Welt. Mehr als die Hälfte sind Flüchtlinge. Mehrfach schon hat Israel Infrastruktur und Häuser bombardiert. Seit 16 Jahren riegelt das israelische Militär Gaza ab und kontrolliert die Ein- und Ausreise der Menschen (die meiste Zeit kann niemand rein und raus) und die Lieferung von Waren, Strom, Wasser etc. Gaza gilt als das größte „Freiluftgefängnis“ der Welt. Die Lebensbedingungen sind schon lange katastrophal. Die UNO prognostizierte 2012, dass Gaza ab 2020 praktisch unbewohnbar sein wird. Die UNO klagt in ihrem Bericht nicht nur die Hamas wegen Verletzung internationalen Rechts an, auch den israelischen Staat. Die Palästinenser:innen im Westjordanland leben ebenfalls faktisch unter israelischer Besatzung. Durch israelische legale und illegale Siedlungen ist das Gebiet zerstückelt, immer wieder drangsaliert von bewaffneten jüdischen Siedlern und der israelischen Armee gibt es auch dort keine Freiheit für die Palästinenser:innen. In Israel lebende Araber:innen sind Schikanen ausgesetzt ohne gleiche Rechte wie die anderen Israelis. Die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch bezeichnet den israelischen Staat als Apartheid-Staat.
Was Palästinenser:innen wollen sind Freiheit, gleiche Rechte und die Möglichkeit auf Rückkehr in die Heimat. Man kann verstehen, dass Palästinenser:innen gegen Vertreibung und Terror rebellieren.
Der von den größten Wirtschaftsmächten unterstützte israelische Staat verfügt selbst über eine der besten Armeen der Welt und reagiert mit immer größerer Gewalt und kollektiver Bestrafung. Als Palästinenser 2018 in Gaza unbewaffnet am Grenzzaun protestierten, antwortete das israelische Militär mit tödlichen Schüssen. 195 starben, 29.000 wurden verletzt. Das ist der Boden, auf dem die Terror verbreitende Hamas gewachsen ist.
Die Gewalt des israelischen Staates hat Folgen: für die palästinensische Bevölkerung, aber auch die israelische, die ihrerseits nicht frei und in Sicherheit leben kann, solange die Unterdrückung weiter geht. In Israel selbst gibt es viele kritische Stimmen, die das seit Jahrzehnten erklären.
Das Leben israelischer Kinder und Jugendliche zählt, aber das der palästinensischen auch
Nach dem Anschlag der Hamas mit 1.400 Toten versprach der israelische Ministerpräsident Netanyahu, Gaza aus Rache „in Schutt und Asche“ zu legen. Sie machen ernst. Während Scholz und Baerbock die Freundschaft zu Israel beschwören, haben die Palästinenser:innen aber 12 Tage permanente Bombardierungen erlebt. Innerhalb der ersten sechs Tage hat Israel 6.000 Bomben abgeworfen, mehr als die USA in Afghanistan während eines ganzen Jahres. Gaza ist komplett vom israelischen Militär abgeriegelt. Es gibt faktisch keinen Strom, kaum noch Wasser oder Benzin. Stand Sonntag Mittag starben in Gaza 4.651 Menschen, innerhalb der letzten 24 Stunden allein 266 Tote, darunter 117 Kinder. 14.245 wurden verletzt. Es gibt in Gaza keinen sicheren Ort für Zivilisten. Die Krankenhäuser stehen vor dem Kollaps.
Sofortiger Stopp der Blockade und der Bombardierungen Gazas!
In vielen Städten der Welt wird angesichts der Katastrophe in Gaza demonstriert, in Paris, New York, Washington, London, Manchester, Bagdad, Köln, Aachen… Es geht darum, Wut und Angst um Familie und Freunde in Gaza zu zeigen und Solidarität mit den Palästinenser:innen. Kritik an den Praktiken des israelischen Staates ist nicht dasselbe, wie Juden zu hassen oder die Hamas zu verherrlichen. Zu dem Drama in Gaza kann man nicht schweigen. Das ist eine Frage der Menschlichkeit.
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