September 20, 2024

Noch mehr Öl ins Feuer?

Acht Wochen dauert der Krieg in der Ukraine mittlerweile an, mit seinen täglichen Bildern zerstörter Städte und 12 Millionen Menschen, die auf der Flucht sind. Die Eskalationsspirale dreht sich weiter und es könnte noch schlimmer kommen. Russland hat Mariupol im Südosten weitgehend zerstört und eingenommen und konzentriert sich auf den Osten des Landes. Scholz, der Bundeskanzler, führt uns währenddessen einen wahren Eiertanz auf und sucht angeblich nach der Superlösung, um zu verhindern, dass „die NATO Kriegspartei wird“. Das ist längst nicht mehr die Frage. Was Sorge bereitet, ist wie weit diese Konfrontation der zwei großen wirtschaftlichen Blöcke noch geht.

Die Antwort liegt nicht entscheidend bei der deutschen Regierung. Die russische Offensive findet statt vor einem Hintergrund, wo die internationalen Kräfteverhältnisse ins Wanken geraten sind, insbesondere durch den Aufstieg Chinas. Putin sah dabei die Möglichkeit gekommen, die sonst in der Weltwirtschaft eher zweitrangige Rolle Russlands zu stärken. Und bei der Neuaufteilung der Welt zeigen sich Russland und China immer öfter Seite an Seite. Die USA und die EU mit der NATO ihrerseits haben seit den 90er Jahren massiv ihre Position in der Weltwirtschaft ausgebaut. Was dem Ukraine-Krieg eine globale Dimension verleiht ist, dass er aus der direkten Konkurrenz zwischen zwei imperialistischen Lagern über die Vorherrschaft in einer Region entstanden ist. China steht dabei eher hinter Russland. Und Scholz? Er hat die USA und die anderen NATO-Verbündeten im Nacken. Die deutsche Politik hat nichts damit zu tun, dass ihnen die Ukrainer:innen oder sonst wer plötzlich ans Herz gewachsen wären.

Aber Scholz hat auch die deutsche Wirtschaft im Nacken, und für einige von ihnen ist Russland ein sehr interessanter Markt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Siemens hat 2019 einen Milliarden-Auftrag zum Bau von Hochgeschwindigkeitszügen für die russische Staatsbahn abgeschlossen. Momentan ist die Auslieferung der Züge gestoppt, wie viele andere Russland-Geschäfte. Deutsche Unternehmen warten darauf, ihre Geschäfte wieder aufzunehmen. Dazu kommen die Lieferungen von Erdöl und Erdgas aus Russland. Deutschland ist nicht bereit, seine Interessen komplett aufzugeben. Daher Scholz‘ Lavieren.

Wenn die ukrainische Regierung immer lauter schwere Waffen von der NATO und auch von Deutschland verlangt, dann hat das auffallende Zögern der deutschen Regierung auch nichts damit zu tun, dass sie grundsätzlich Waffenlieferungen und Aufrüstung ablehnt. Im Gegenteil! Nachdem Scholz den Ukraine-Krieg schon für sein beispielloses Aufrüstungsprogramm der Bundeswehr von 100 Milliarden genutzt hatte, hat er letzte Woche zusätzliche 2 Milliarden Euro für Waffenkäufe locker gemacht, mehr als eine Milliarde davon soll die Ukraine kriegen. Die Rüstungsindustrie kann sich freuen – über diese Regierung genau wie über diesen Krieg. Die Aktienkurse von Heckler&Koch (H&K) und von Rheinmetall, zwei der bekanntesten deutschen Rüstungsunternehmen, lagen vor Kriegsbeginn jeweils unter 100 Euro. Inzwischen kostet die H&K-Aktie 150 Euro und die von Rheinmetall 215 Euro!

Schon seit langem ist Deutschland unter den 5 größten Waffenexporteuren der Welt. Und unter den Ländern, in die Deutschland in den letzten 11 Jahren am meisten Waffen exportiert hat, finden sich Ägypten (Platz 3), Saudi-Arabien (7) und Katar (9). Alle drei Länder sind am Krieg in Jemen beteiligt, der seit 2015 wütet und der an Grausamkeit und humanitären Folgen den Ukraine-Krieg noch in den Schatten stellt – auch wenn er in unseren Medien längst nicht so präsent ist, weil es diesmal „Verbündete“ sind, die ihn führen. Die Bundeswehr selbst ist in Militäreinsätze in Afrika involviert, Baerbock war grad in Mali. Wenn die Bundesregierung aktuell nur dazu bereit ist, der Ukraine altes Militärzeug zu liefern, was natürlich schlecht ankommt, ist das Ausdruck des Versuchs, zwischen den großen Lagern zu lavieren.

Wer kann diesen Irrsinn stoppen?

Die kapitalistische Weltwirtschaft ist ein Hauen und Stechen um Einflusssphären und Vorherrschaft und sie gerät immer mehr aus den Fugen. Im Schatten des Ukraine-Krieges hat die Türkei die Kurden Nordiraks überfallen. Israel bombardiert wieder Gaza. Das Schweigen der westlichen Regierungen hierauf, auch das der deutschen, ist umso auffälliger, als die Töne gegen Putin aggressiv sind. Aber wenn die Angreifer die Verbündeten sind, sind die „Regeln“ andere. An vielen Ecken und Enden wird dieses kapitalistische System immer verrückter, nicht zuletzt durch die Inflation, die immer weiter angeheizt wird.

Die Arbeitenden weltweit zahlen auf unterschiedliche Weise: Mit ihren Leben auf den Schlachtfeldern, mit zunehmendem Hunger in weiten Teilen der Welt und den steigenden sozialen Problemen. Dabei sind die Arbeitenden auch diejenigen, die das Potenzial haben, diesem mörderischen Treiben Einhalt zu gebieten. Die Arbeitenden und Soldat:innen in der Ukraine, die ihr Land verteidigen, haben kein Interesse daran, das Eigentum der ukrainischen Oligarch:innen zu verteidigen. Genauso wie die russischen Soldaten von Putin und den russischen Oligarch:innen missbraucht werden für einen Krieg, bei dem sie nur verlieren können.

Belarussische Eisenbahner:innen, die ihren eigenen Diktator Lukaschenko hassen und sich gut erinnern, wie Putin ihm gegen den Massenaufstand 2020 zu Hilfe gekommen ist, haben den Nachschub für die russischen Truppen in der Ukraine schon empfindlich gestört. Denn ohne uns Arbeitende funktioniert weder die Wirtschaft, noch die Gesellschaft, nicht einmal ein Krieg. Der Kapitalismus zeigt deutlich, dass er nicht nur schlecht funktioniert und ungerecht ist, sondern auch immer zerstörerischer wird. Aber eine Arbeiter:innenbewegung über alle Grenzen hinweg kann dem ein Ende setzen.


https://simple.wikipedia.org/wiki/2022_Russian_invasion_of_Ukraine#/media/File:2022_Russian_invasion_of_Ukraine.svg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert