In den Vereinigten Staaten ist es für die meisten, die Joe Biden gewählt haben, eine Erleichterung zu sehen, dass Trump geschasst wurde. Besonders für diejenigen, die das Ziel seiner Angriffe waren: MigrantInnen, AfroamerikanerInnen, Frauen, Homosexuelle, Black-Lives-Matter-DemonstrantInnen und viele andere. Trump ist zwar beseitigt, aber der Rassismus, die Fremdenfeindlichkeit, die Verarmung der Bevölkerung zugunsten der reichsten 1 % nicht. Auch Bidens „Demokraten“ sind Säulen dieses Systems, das den Profit und damit die soziale Ungerechtigkeit zur absoluten Regel macht.
Dollar-Demokratie
Was ist das für eine Demokratie, in der viele WählerInnen von den Wahlen ausgeschlossen sind und mit bürokratischen Mitteln aus dem Wählerverzeichnis gestrichen werden, vor allem aus der schwarzen und armen Bevölkerung? Auch deshalb ist die Wahlbeteiligung in den USA selbst in diesem Jahr, wo sie einen Rekordwert erreichte, immer noch weit niedriger als hierzulande bei Bundestagswahlen.
Was ist das für eine Demokratie, in der sich die Wahlkampfausgaben der beiden Parteien zusammen auf 14 Milliarden Dollar belaufen und die wirkliche Wahl somit für Millionäre oder ihre Freunde reserviert ist? In der die Top-Kandidaten vom Segen der konservativen Parteiapparate abhängen und ein Sanders mit etwas sozialerem Programm vorher aussortiert wird?
Trumps Getwitter über angeblichen Wahlbetrug verschleiert die Tatsache, dass es das gesamte amerikanische Wahlsystem ist, das hochgradig ungerecht ist. Die bürgerliche Demokratie hindert dort noch offensichtlicher als hier die Arbeitenden daran, über etwas anderes als den Politiker zu entscheiden, der im Namen der Wirtschaft kandidiert.
Sich von Trump nicht verschaukeln lassen
Der halbseidene Millionär Trump tut so, als wäre er gegen das „Establishment“ und würde die ArbeiterInnen in der Krise beschützen. Aber neben rassistischer Demagogie und seinen Lügen, was ist seine Bilanz? Der massive Rückgang der Arbeitslosigkeit? Hinter den manipulierten Zahlen ist die Prekarität explodiert. Hochschullehrer haben zwei Jobs, um über die Runden zu kommen. Achtzigjährige müssen wieder arbeiten gehen. Arbeitende schlafen in ihren Autos, weil sie sich die Miete nicht leisten können. Sie werden „obdachlose Arbeiter“ genannt, weil das so weit verbreitet ist. Und in der Corona-Krise haben mehr als 40 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verloren.
Als Reaktion darauf beschloss Trump, das Großkapital durch Konjunkturpakete in Höhe von 669 Milliarden Dollar zu subventionieren. Auf beiden Seiten des Atlantiks werden die gleichen Rezepte zur Rettung des Kapitals auf Kosten der übrigen Gesellschaft angewandt.
Auch Biden wird das Kapital verwöhnen
Biden, ebenfalls Millionär, ist ein Mann der Superreichen. Seine politische Karriere begann 1973 als Senator von Delaware. Er verwandelte diesen kleinen „Unternehmensstaat“ in das größte inländische Steuerparadies der Vereinigten Staaten. Dieser Bank- und Kriegslobbyist stimmte für alle militärischen Interventionen und Gesetze gegen die Armen, gegen Verbraucherschutz zugunsten großer Kreditunternehmen usw. Er hat seit Jahrzehnten unter Beweis gestellt, wie er kapitalistische Interessen verwaltet und die Rechnung der Arbeiterklasse präsentiert.
Keine Wahlperspektive für die Arbeitenden
Wenn der Wahlzirkus vorbei ist, werden die Vereinigten Staaten weiterhin das Land sein, in dem die drei reichsten Amerikaner (Jeff Bezos, Bill Gates und Warren Buffet) mehr Reichtum besitzen als die ärmere Hälfte der Bevölkerung.
Die Spaltung der Arbeiterklasse zwischen „Demokraten“ und „Republikanern“, zwischen Weißen, Schwarzen und Latinos oder zwischen Einheimischen und MigrantInnen soll die einzige Spaltung verschleiern, die wirklich zählt: die Spaltung zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten. Das Schicksal der Ausgebeuteten kann nicht durch eine Wahl zwischen Trump und Biden gelöst werden. Die Zukunft gehört den gemeinsamen Kämpfen der Arbeitenden, der Ausgeschlossenen, der Stigmatisierten.
Viele sind in den letzten Jahren und Monaten auf die Straße gegangen, in der Black-Lives-Matter-Bewegung, aber auch bei Streiks z. B. wegen fehlenden Corona-Schutzes. Wird es ihnen gelingen, sich von einer demokratischen Partei zu emanzipieren, die immer eine Stütze des Systems war? Wird eine von den großen politischen Apparaten unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse entstehen? In dieser Richtung liegt die Hoffnung auf bessere Zeiten für die Arbeitenden in den Vereinigten Staaten, aber auch in Deutschland.