Seit Herbst schon läuft die Tarifrunde im Bahnsektor, die die kleinere Gewerkschaft GDL (Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer) führt. Nach dem letzten und vierten Streik Ende Januar, den die GDL einseitig von 6 auf 5 Tage runtergekürzt hat, war mit Spannung der Ausgang der Geheimverhandlungen Anfang März erwartet worden.
Der DB-Vorstand seinerseits hatte kurz vor Ablauf des vereinbarten Endes der Verhandlungen vorzeitig der BILD-Zeitung gesteckt, dass die Gewerkschaft empört die Verhandlungen abgebrochen hatte. Seitdem fährt eine mediale Walze über die Bahner:innen hinweg. Der Ton ist von Seiten der Politik, der Wirtschaft und des Bahnvorstands deutlich aggressiver gegen die GDL insgesamt und den Chef Weselsky geworden. Die Bahner:innen, die seit vielen Jahren trotz Personalmangel und ständiger technischer Probleme ihr Bestes geben, macht das sauer. Nicht zuletzt erfahren sie überhaupt erst nach und nach, was eigentlich in den vier Wochen Geheimverhandlungen passiert war. Wie immer sind sie die Letzten… Auch das ist ein typisches Merkmal deutscher Gewerkschaftspolitik. Aber es gibt doch Fragen.
Was wurde in den Geheimverhandlungen geredet? Welche Gegenforderungen von der Bahn und welche Kompromisse lagen auf dem Tisch? Die Verhandlungen laufen jedenfalls schlecht. Die DB hat nicht nur die Forderungen nach Arbeitszeitabsenkung auf 35 h/Woche bei vollem Lohn und eine 5-Schichten-Woche sowie 555 Euro Erhöhung abgelehnt. Sie haben eine ganze Liste an Gegenforderungen auf den Tisch geknallt. Zwei CDU-Ministerpräsidenten wurden als „Moderatoren“ hinzugezogen. Inzwischen darf man deren „Moderatorenvorschlag“ lesen und man reibt sich die Augen: ab Januar 2026 und ab Januar 2028 (!) soll die Arbeitszeit jeweils eine Stunde pro Woche sinken bei vollem Lohnausgleich. Gleichzeitig würde aber das bislang in den Tarifverträgen verankerte Recht auf 6 bzw. 12 Zusatzurlaubstage wegfallen. Man muss wissen, dass die Wochenarbeitszeit bei der DB reine Fiktion ist. Denn es gilt eine Jahresarbeitszeit, die große Schwankungen erlaubt. Eine reale 55-Stunden-Woche und ein Berg an Überstunden sind nichts ungewöhnliches. Deshalb hat die große Mehrheit die 12-Tage-Zusatzurlaubsoption gewählt und verzichtet dafür auf gewisses Geld. Auf diese freien Tagen haben sie zumindet Anspruch. Die Zusatzurlaubstage brauchen sie, weil die Arbeit im Schichtdienst unmenschlich ist. Frühdienste können schon 3 Uhr beginnen. Selbst wenn man es schafft, sich 19 Uhr ins Bett zu legen, schafft man es kaum vor 22 Uhr zu schlafen. Wenn dann der Wecker um 2 Uhr klingelt, kann man kaum aus den Augen gucken und schleppt sich matsche zur Arbeit. Aber bei der Bahn sind sogar 6 Schichten hintereinander möglich. Ein echtes freies Wochenende ist der Jackpot. Von den geforderten Verbesserungen findet sich allerdings nichts im „Moderatorenvorschlag“. Stattdessen sollen die Lokführer bei Cargo im Güterverkehr künftig tagelang hintereinander mit längeren Schichten und auswärtigen Ruhen im Hotel eingesetzt werden können und zugleich weitere Aufgaben anderer Berufsgruppen mit übernehmen. Das dient dem bereits geplanten Stellenabbau bei Cargo. Die Cargo-Chefin Nikutta erzählte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung allen Ernstes, dass die Lokführer doch mal auf ihre „Privilegien“ verzichten sollten… Eine beliebte besondere Teilzeit im Alter soll künftig auch wegfallen. Was die Lohnerhöhung angeht, soll die laut Vorschlag erst August 2024 und April 2025 (!) kommen.
Dieser „Moderatorenvorschlag“, der der Deutschen Bahn übrigens nicht weit genug ging, ist ein Angriff auf die Arbeitsbedingungen der Bahner:innen. Muss man befürchten, dass die Bahner:innen der GDL gar mit einem Minus aus der Tarifrunde gehen?
Der nächste Streik jetzt Anfang März war die Antwort. Und die Streikbeteiligung war wieder hoch. Aber GDL-Chef Weselsky hat nur zu 35-h-Streik aufgerufen. Von einem unbefristeten Streik ist bislang nicht die Rede. Dafür aber von Wellenstreiks und Gesprächen in sehr kleiner Runde. Aber die Angriffe des Bahnvorstands und seiner Verbündeter verlangen nach einer starken offensiven Reaktion.
Dieser Artikel erschien zuerst am 10. März 2024 auf der website der „Revolutionär Sozialistischen Organisation“.