In diesen Tagen kann man es deutlich spüren. Man steht nicht allein mit seinen Sorgen angesichts der geradezu explodierenden Kosten für Miete, Lebensmittel und Energie. Oder der Sorge, den Anforderungen auf Arbeit nicht mehr gewachsen zu sein, unter der Belastung zusammenzubrechen. Oder mit der Feststellung, für die viele Arbeit keine ausreichende Wertschätzung zu bekommen.
Da stoßen Kaltfront und Warmfront zusammen
Tausende streiken diese Woche in Berlin für ihre Forderungen. Die Kolleg:innen von DHL-Post streikten diese Woche für 15% Lohnerhöhung. Die Antwort des Managements bisher? Die Forderung sei unrealistisch. Und dass bei einem Konzerngewinn von über 8 Milliarden Euro im Jahr 2022!
Im Öffentlichen Dienstes gab es in Berlin am 9. Februar den ersten gemeinsamen Warnstreik. Bei der Berliner Stadtreinigung, den Krankenhäusern, den Wasserbetrieben, der Hochschule HTW, dem Studentenwerk usw. geht es um 10,5% Erhöhung, mindestens aber 500 Euro mehr, was für die meisten das wichtigste Ziel ist. Und Laufzeit des Tarifvertrages: 12 Monate. In der Verhandlungsrunde Ende Januar gab es als Reaktion der Chefs vom Arbeitgeberverband und der Bundesinnenministerin die Aussage, dass solche Lohnerhöhung nicht leistbar wäre. Die Kommunen hätten nicht ausreichend Finanzen. Ach ja?
Die Lehrer:innen in Berlin streikten diese Woche zum wiederholten Male für eine Entlastung durch Verkleinerung der Klassengröße. Die Antwort einer Expertenkommission zum Bildungssystem ist an Arroganz kaum zu überbieten. Sie schlägt die Erhöhung der Stundenzahl je Lehrer:in, eine Vergrößerung der Klassen und hybriden Unterricht vor. Bei diesem soll die Lehrkraft eine Klasse in der Schule und eine Zweite per Videoschalte unterrichten.
Bei den Bahner:innen steht die Lohnrunde bevor. Wir kennen schon die Reaktion von Management und Politik.
Jetzt geht es um uns
Wir sind nicht schuld an der Steuerpolitik, die den extrem reichen Unternehmensfamilien ihr Vermögen belässt und zu „armen“ öffentlichen Kassen führt. Wir sind nicht schuld an der verwirrenden Finanzverteilung zwischen Bund, Länder und Kommunen. Wir sind nicht verantwortlich für eine Politik, die auf kurzfristige Einsparungen orientiert und damit zum Ausbluten der öffentlichen Daseinsfürsorge geführt hat. Wir sind nicht schuld an einer Politik, die Gewinne in Milliardenhöhe kaum besteuert und in einem Subventionswirrwarr auch noch Geld an Konzerne wie RWE überweist. Die Deutsche Bank fuhr 2022 einen Gewinn von über 5 Mrd. Euro ein, RWE 3,2 Mrd. Euro, VW 17 Mrd. Euro usw. Für viele große Konzerne endete 2022 mit Rekordgewinnen.
Andererseits werden die Preise noch lange hoch bleiben. Die Vermieter fragen auch nicht, ob wir uns die Miete leisten können. Als es um 100 Mrd. für die Rüstung oder „Entschädigung“ für den Ausstieg aus Atomenergie und Kohleabbau ging, war die Politik sehr kreativ, viel Geld locker zu machen. Nun verlangen wir nur einen Bruchteil dieser Summen. Ob wir unsere Forderungen durchsetzen, hängt allein von der Kraft ab, die wir entwickeln. Und da gilt nun mal: Gemeinsam sind wir stärker.
Was nun am 12. Februar in Berlin wählen?
Eine der Senatsparteien? Oder die bisherige Opposition? In Berlin hat der Senat in den letzten 20 Jahren – egal in welcher Zusammensetzung der Parteien – Tarifflucht durch Ausgründung von Betrieben begangen, Personal abgebaut, den Volksentscheid „Deutsche Wohnen enteignen“ torpediert, die weitere Privatisierung der S-Bahn vorangetrieben usw. Die jeweilige Opposition klatschte Beifall oder versprach das Blaue vom Himmel, wenn sie doch nur regieren würde. So wie jetzt wieder wiederholt sich das Spiel: Kurz vor den Wahlen haben sie alle viel Verständnis für unsere Forderungen und geben die Schuld den jeweils anderen Parteien. Dieses Blabla nervt nur noch. Sie sind ja nicht mal mehr in der Lage, eine Wahl zu organisieren…
Bitter wäre es, wenn ausgerechnet die rechten Parteien von der Unzufriedenheit mit dem Berliner Senat profitieren würden. Auf dem Wahlzettel finden sich einige kleine sich antikapitalistisch verstehende und für soziale- und Klimagerechtigkeit stehende Parteien. Warum nicht dort das Kreuz setzen? Ein verlorene Stimme wäre es nur dann, wenn wir es beim Ankreuzen belassen, statt für unsere Interessen in den Betrieben zu kämpfen. Und das ist sowieso das Wichtigste, das zählt!