Oktober 8, 2024

Kriegsspiel made in Germany

In den letzten 12 Tagen fand im Himmel über Deutschland die vielleicht größte Militärübung seit Ende des Kalten Krieges statt: Für das Manöver „Air Defender“ wurden 10.000 Soldat:innen aus verschiedenen NATO-Staaten und rund 250 Militärflugzeuge und -helikopter mobilisiert. Weit über 5 Mio. Euro hat der Spaß offiziell gekostet und hat ebenfalls rund 5 Mio. Liter Flugbenzin verbraucht – so weit zu den Klimazielen der Bundesregierung.

Geld spielt ja eh keine Rolle mehr seit der „Zeitenwende“. Die Bundeswehr soll zeigen, dass sie wieder bei den Großen mitspielen kann, nachdem Deutschland in Folge des Zweiten Weltkriegs jahrzehntelang militärisch kleine Brötchen gebacken hat. Die Übung wurde seit 2018 geplant und stellt keine Reaktion auf den russischen Krieg gegen die Ukraine dar, beeilten sich die politisch Verantwortlichen zu versichern. Umso schlimmer, möchte man meinen. Denn für alles, was an verschärfter Militarisierung seit langem geplant war, hat am Ende Putin mit seinem Überfall auf die Ukraine nur einen Vorwand geliefert.

Seitdem kennt die Diskussion nur eine Richtung: Mehr Militärausgaben. Die 100 Milliarden „Sondervermögen“ für die Bundeswehr sollten über Nacht dafür sorgen, dass Deutschland das von der NATO festgelegte Ziel, 2 % der Wirtschaftsleistung ins Militär zu stecken, erreicht oder sogar übertrifft. Beim kommenden NATO-Gipfel in zweieinhalb Wochen in Vilnius soll sogar darüber diskutiert werden, diese Marke noch anzuheben.

Die NATO als Friedensstifter? Wer glaubt denn sowas?!

Doch wofür? Frieden und Sicherheit garantieren durch Abschreckung? So wird es uns verkauft, aber es gibt kaum eine dreistere Lüge. Die NATO-Staaten mit den USA an der Spitze waren laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI 2022 schon für 55 % aller weltweiten Militärausgaben verantwortlich – damit gaben sie über 14-mal so viel Geld aus wie Russland, und das, obwohl die NATO sich offiziell in keinem Krieg befindet.

Der Angriff Putins auf die Ukraine ist auf das Schärfste zu verurteilen. Aber die NATO und ihre Mitgliedsstaaten, einschließlich Deutschlands, sind nicht „die Guten“ in der sich weltweit zuspitzenden Konfrontation von Großmächten und Machtblöcken. Die westlichen Großmächte wollen den status quo, also den aktuellen Zustand der Welt verteidigen, einschließlich ihres Einflusses auf viele Staaten der Welt, die ihre Konzerne als Rohstoff- und Absatzmärkte brauchen.

Dabei führen sie selbst blutige Kriege und treten Menschenrechte mit Füßen, wie in der Vergangenheit im Irak oder in Afghanistan. Und sie unterstützen grausame Diktaturen, wie in Saudi-Arabien, das seinerseits im Nachbarland Jemen einen Krieg führt, der ebenso brutal und verabscheuungswürdig ist wie der Krieg in der Ukraine.

Dies ist nicht unser Militär!

Die Bundesregierung hat letzte Woche mit großem Pomp ihre „Nationale Sicherheitsstrategie“ vorgestellt. In dem 70-seitigen Papier wird mit vielen Worthülsen die Aufrüstung schöngeredet. Besonders konkret wird es nicht, außer bei der Bekräftigung des 2-%-Zieles der NATO. Aber die Absichten lassen einen trotzdem aufhorchen: Die Bundeswehr soll „in den nächsten Jahren zu einer der leistungsfähigsten konventionellen Streitkräfte in Europa“ werden und ihre „militärische Präsenz gezielt im Bündnisgebiet im Einklang mit den NATO-Planungen ausbauen und verstetigen“ – also mehr Truppenstationierungen in anderen NATO-Staaten.

Für diese Großmachtfantasien wird schon jetzt der Rotstift in anderen Bereichen angesetzt. Unvergessen ist, wie Verteidigungsminister Pistorius gegen Lohnerhöhungen im Öffentlichen Dienst Stimmung machte, weil sie die Aufrüstungsziele gefährdeten. Für die versprochene Kindergrundsicherung gibt es bis heute keine Einigung in der Regierung. Für die Interessen der großen Konzerne, denen sich die Regierung verpflichtet fühlt, ist so etwas unwichtiges Gedöns. Anders als die „sichere Energie- und Rohstoffversorgung unseres Landes“, die Olaf Scholz im Vorwort der „Nationalen Sicherheitsstrategie“ verspricht. Außenministerin Baerbock erklärt an gleicher Stelle: „Sicherheit bedeutet auch, so frei zu sein, dass wir unser Leben, unsere Demokratie, unsere Wirtschaft so gestalten können, wie wir es möchten.“

Ja, solange die Konzerne unsere Wirtschaft beherrschen und nicht wir alle diese so gestalten können, wie wir es möchten, schützen Staat, Bundeswehr und Regierung auch nicht unsere Sicherheit, sondern deren Profite.

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