Oktober 8, 2024

Myanmar – Arbeiter:innen gegen den Militärputsch

Seit über 2 Monaten kämpft die Bevölkerung wie Helden. Am 1. Februar hat die Armee in dem südostasiatischen Land geputscht, das Parlament aufgelöst, die vorherige Regierungschefin Aung San Suu Kyi verhaftet und den Ausnahmezustand verhängt. Die Reaktion der Bevölkerung war sehr schnell – Widerstand. Denn sie kennen die Militärdiktatur: schon von 1962 bis 2011 hatten Generäle das Sagen. Die Putschisten versuchen mit mörderischer Repression, die Proteste niederzuschlagen. Aber die Bevölkerung, und das sind vor allem die jungen Arbeitenden, dabei sehr viele Frauen, sind mutig und entschlossen.

Seit dem Putsch legen immer wieder Streiks das Land lahm. Dabei war Myanmar lange landwirtschaftlich geprägt und ist noch heute eines der ärmsten Länder der Welt. Doch in den letzten Jahren gab es eine deutliche Entwicklung:

Eine junge, überausgebeutete Arbeiter:innenklasse

Die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung ist nicht mehr in der Landwirtschaft tätig. Insbesondere der Textilsektor hat sich entwickelt, da Myanmar als Billiglohnland sogar die Nachbarländer Kambodscha und Vietnam unterbietet. Diese billige Arbeitskraft macht Myanmar gerade beim ausländischen Kapital attraktiv. Der Export von Textilien hat sich innerhalb weniger Jahre verdreifacht, ein Großteil landet in den Geschäften westlicher Industrieländer. Vielleicht auch in unserem Kleiderschrank? Auch Chevron und Total sind vor Ort, für Erdgas.

Trotz des Wirtschaftswachstums verbesserten sich die Lebensumstände für die Arbeiter:innen kaum. Die „Demokratisierung“ nach 2011 konnten sie dennoch für sich nutzen, denn Gewerkschaften wurden legalisiert und so konnten sie sich in Fabriken und Unternehmen leichter organisieren. Schon vor 2011 gab es gewerkschaftliche Strukturen, jedoch mussten Gewerkschaftsaktivist:innen mit ständigen Polizeirepressionen und gerichtlicher Verfolgung rechnen. Nach 2011 kam es immer wieder zu Streiks, die Arbeiter*innen berichten über Lohnklau, erzwungene Überstunden und miserable Arbeitsbedingungen. In der Covid-19-Pandemie haben sie zusätzlich mit massivem Stellenabbau zu kämpfen, 60.000 Arbeitende verloren schon in der ersten Welle ihren Job.

Die Vielfalt der Massenproteste

Die ersten Streiks gegen den Putsch begannen als Kampagne des „zivilen Ungehorsams“. Zuerst streikten Beschäftigte in staatlichen Krankenhäusern, darauf folgte das Lehrpersonal und dann Industriearbeiter:innen, insbesondere aus der Textilindustrie. Auch die Bahnbeschäftigten der staatlichen Eisenbahn sind von Anfang an dabei. Mitarbeiter*innen aus Ministerien und Behörden schlossen sich den Streikenden an, da sie für diese Regierung nicht arbeiten wollten. Die junge Bevölkerung aus Myanmar beteiligt sich an den Protesten mit Sprüchen wie: „Ihr legt euch mit der falschen Generation an!“ Nachdem die Putsch-Regierung zunehmend den Internetzugang sperrte, nutzten die jungen Leute auch SIM-Karten aus Nachbarländern, um sich dennoch zu organisieren.

Armee stürmt Wohnungen von Eisenbahner:innen

Das größte Problem des Militärregimes ist die Teilnahme der Arbeiter:innenklasse an den Protesten, weil dies direkten ökonomischen Druck ausübt und auch ausländische Investor*innen abschrecken könnte, auf die das Militär angewiesen ist. Es gab am Montag, dem 22. 2. 2021 einen ersten Generalstreik, am „Tag der fünf Zweien“, der an den Aufstand vom 8. 8. 1988 (Tag der vier Achten) erinnert.

Und so setzen die Militärs auf brutale Repression, um die Streiks niederzuschlagen. Seit dem 26. Februar sind Gewerkschaften wieder illegal, viele Streikführer:innen werden verhaftet und Aktivist:innen gehen in den Untergrund. Am 14. März interveniert die Armee im Industriegebiet Hlaing Tharyar vor den Toren der größten Stadt Yangon, wo Slums und neu entstandene Textilfabriken nebeneinander liegen: ca. 60 Menschen werden bei dem Einsatz ermordet. Und da die Bahnbeschäftigten sich fast zu 100 % am Streik beteiligen und das Land wirtschaftlich lahm legen, sind Soldaten in ihre Werkswohnungen eingedrungen, haben sie verwüstet und einige Eisenbahner verhaftet.

Auf Demonstrant:innen wird mit scharfer Munition geschossen, über 700 Menschenleben hat die Repression bereits gefordert.

Es ist ein Kampf auf Leben und Tod für die Arbeitenden in Myanmar, die ihre mühsam errungenen demokratischen Rechte versuchen zu verteidigen. Dabei suchen sie den Schulterschluss zu Protesten im benachbarten Thailand, von denen die Bewegung auch den Drei-Finger-Gruß übernommen hat, der auf die Filmserie „Tribute von Panem“ zurückgeht.

Der Kampf für demokratische Rechte wie die Freiheit, sich gewerkschaftlich zu organisieren, hat das Potential Bevölkerungen über Ländergrenzen hinweg zu verbinden: von Myanmar über Thailand und Hongkong bis nach China … oder darüber hinaus!

Der Drei-Finger-Gruß aus der Serie „Tribute von Panem“ (The Hunger Games) ist das Symbol der Protestierenden
Bild: https://www.bbc.com/news/world-asia-56546920

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert